Kwartiermaken

‘Schizophrenie in Bewegung’ -  Wien 24. bis 26.2.2010

XII. Tagung 'Die subjektive Seite der Schizophrenie'

Ludwig Boltzmann Institut für Sozialpsychiatrie in Kooperation mit den Universitätskliniken für Psychiatrie in Hamburg und Greifswald. Michaela Amering (Wien) hat Doortje Kal eingeladen zu sprechen über Gastfreundschaft: Das Niederländsiche Konzept Kwartiermaken gegen Ausgrenzung. Ingo Ulzhöfer und Gyöngyvér Sielaff (Hamburg) - auf dem Weg zur Erfahrungswissenschaft - neue Impulse aus der Ex-In-Bewegung. Auf dem Photo: Ex-In-Expert Ingo Ulzhöfer und Doortje Kal

Als ich den Titel des Kongresses hörte, dachte ich, dass es um den Begriff Schizophrenie gehen sollte. In den Niederlanden plädiert der Verband Anoiksis –ein Verband für Menschen mit Schizophrenie- für die Bezeichnung dysfunktionelles Wahrnehmungssyndrom. Nach Meinung des niederländischen Psychiaters Jim van Os –zugleich Mitglied der internationalen Kommission für Entwicklung von DSM-V- ist die Diagnose Schizophrenie unhaltbar und leiden Patienten darunter. An dem Begriff Schizophrenie klebt das Vorurteil, dass diese nicht zu genesen sei. Von allen Menschen mit psychiatrischem Hintergrund haben diejenigen mit der Diagnose Schizophrenie am weitaus meisten mit Stigmatisierung und Diskriminierung und in der Folge davon mit Ausschluss, Arbeitslosigkeit und Armut zu kämpfen. Soziale Isolierung und Ausschluss wiederum erhöhen die Gefahr für Psychosen.
Es muss sich noch zeigen, ob der neue Schizophreniebegriff der Ansatz zu weniger Stigmatisierung der betreffenden Menschen sein wird. Kwartiermaken plädiert für einen Sprachgebrauch, der zum Engagement mit (neutral formuliert) Menschen mit psychiatrischem Hintergrund anspornt.
Kwartiermaken steht synonym für die Arbeit an einer gastfreundlichen Gesellschaft in der nicht die Norm des Normalen den Ton angibt, sondern in der Raum für Fremdheit und AndersSein ist. Kwartiermaken steht synonym für die Arbeit an einer Gesellschaft, in der Bürger dazu aufgerufen werden um Paten oder Buddy für Menschen zu sein, die sich in der Öffentlichkeit nicht so sicher fühlen, sei es nun im Sport- oder Schachverein, im Gemeindezentrum oder in der Kirche oder bei ehrenamtlichen Tätigkeiten. Kwartiermaken strebt nach einer Gesellschaft in der die professionals bei den sozialen Einrichtungen und Wohnungsbaugesellschaften, aber auch Politiker und Beamte gefragt sind um nicht Regeln über Humanität zu stellen. Kwartiermaken strebt nach einer Gesellschaft die probiert, die Anteilnahme am AndersSein mit Inhalt zu füllen und einem Modell der Bürgerschaft Vorrang zu geben in dem nicht nur die Bezahlte Arbeit dominiert.
Die Psychiatrie könnte angeleitet werden, Bilder oder Metaphern entstehen zu lassen die den Prozess der Integration fördern; sie sollte motiviert werden, den Fokus von der reinen Machbarkeit auf die Herangehensweise der Präsenz zu verschieben.
Um gastfreundlich sein zu können, ist ein Aufschub des Status quo notwendig. Die Realisierung anderer Werte erfordert, die festgeschriebenen Wege zu verlassen und geeichte Muster loszulassen, um dem ‚fremden Anderen‘ wirklich entgegentreten zu können. Um der Alterität Zugang zu gewähren, ist ein Zwischenschritt nötig. Das Ernstnehmen von Gastfreundschaft verlangt eine Reflektion der bestehenden Verhältnisse – und von mir selbst als ihrem Bestandteil –, um zu sehen, was wichtig ist.
In meinem Vortrag werde ich etwas mehr über Theorie und Praxis des Kwartiermakens erzählen.
Mein Vortrag ist erschienen in Kerbe - Forum für Sozialpsychiatrie 4/2010 - Themenschwerpunkt Stigma - Antistigma.

Foto: Moniek Meinders

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